Hochschalten mit Bedacht
Wasserstoff als Energieträger der Zukunft rückt auch bei Heizungsanbietern vermehrt in den Fokus.
Klimaneutralität, Fridays for Future, Green Deal,– kurzum ein gesellschaftlicher Wandel: Während die sukzessive Abkehr von Kohle, Atomenergie und Erdöl in Deutschland lange beschlossen ist, läuft die Suche nach zusätzlichen regenerativen Energien auf Hochtouren. Ein gasförmiger Energieträger offenbart dabei hohes Potential: Wasserstoff.
In Deutschland nutzen derzeit knapp 14 Mio. Heizungen verschiedenster Leistungsgrößen Gas als Energielieferant und werden überwiegend über das Erdgasnetz mit Brennstoff versorgt. Deshalb ist die Beimischung von Wasserstoff im Erdgasnetz ein Baustein, um die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen. Voraussetzung dafür ist, dass bestehende, mit Gas betriebene Wärmeerzeuger eine solche Beimischung erlauben, auf Wasserstoff umgerüstet werden könnten oder neue Geräte entwickelt und installiert werden.
Wasserstoffgewinnung: Verfahren entscheidend
Ob Wasserstoff ein klimaneutraler oder gar CO2-freier Energieträger ist, hängt in erster Linie mit dessen Gewinnung zusammen. Das Wasserstoffvorkommen der Erde ist hoch, jedoch findet sich das Element überwiegend in chemischen Verbindungen wie Wasser oder Säuren. Da es sich bei Wasserstoff somit um eine Sekundärenergie handelt, muss für seine Gewinnung zunächst Energie aufgebracht werden. Die Art des Vorgangs beeinflusst die eigentliche Nachhaltigkeit des Gases dabei maßgeblich.
Unterschieden werden drei Arten der Wasserstoffgewinnung. Die Herstellung grauen Wasserstoffs, der unter Einsatz von fossilen Energien gefördert wird, geht mit einem hohen CO2-Austoß einher. Nahezu CO2-neutral hingegen ist die Produktion blauen oder auch türkisen Wasserstoffes. Hierbei reduzieren das sogenannte „Carbon Capture and Storage“- Verfahren, kurz CCS, oder ein Pyrolyseverfahren den CO2-Austritt in die Atmosphäre deutlich. Der Vorgang, der die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid, etwa unter dem Meeresgrund, vorsieht, kann Wissenschaftlern zufolge den Eintritt von etwa 65 bis 80 Prozent CO2 in die Atmosphäre verhindern. Unklar sind jedoch die Auswirkungen möglicher Risiken wie Leckagen von CO2.
Grüner Wasserstoff, hergestellt durch Elektrolyse, ist durch die Verwendung von Strom aus regenerativen Quellen weitgehend CO2-frei. Die Wasserstoff-Elektrolyse, bei der Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird, wandelt elektrische Energie in chemische um. Die Aufbewahrung des Wasserstoffs erfolgt ähnlich wie bei Erdgas komprimiert oder flüssig in Druck- beziehungsweise Kavernen-Speichern.
Dieses Verfahren birgt mit Blick auf die angestrebte Klimaneutralität der Bundesregierung bis 2050 hohes Potential, den Energieträger der Zukunft hervorzubringen.
Bislang ist aus Elektrolyse gewonnener Wasserstoff jedoch nur in geringen Mengen verfügbar. Mittel- und langfristig stellt Wasserstoff eine zukunftssichere und realistische Heizungslösung für viele Bestandsgebäude dar, beispielsweise wenn Wärmepumpen nicht wirtschaftlich einsetzbar sind. Grünen bzw. blauen Wasserstoff im Gebäudesektor einzusetzen, ist ein sehr sinnvoller Schritt, um im Jahr 2050 die Kohlenstoff-Neutralität zu erreichen.
Begrenzte Wasserstoffeinspeisung
Wasserstoff als sogenanntes Zusatzgas kann nur begrenzt ins Erdgasnetz eingespeist werden, da es in seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften vom herkömmlichen Erdgas abweicht. Anders als Erdgas enthält Wasserstoff kein Kohlenstoff-Atom und verbrennt somit rückstandsfrei. Weiterhin handelt es sich bei Wasserstoff um den Energieträger mit der höchsten gewichtsbezogenen Energiedichte, was ein deutlich verändertes Brennverhalten zur Folge hat. Diese Unterschiede der Energieträger führen schließlich dazu, dass die Einspeisungsgrenze derzeit bei einem bis zehn Volumenprozent liegt. Der individuelle Grad ist neben der Schwierigkeit innerhalb des Mischprozesses abhängig von variierenden regionalen Bedingungen von Gasfernleitungen sowie Verteilernetzen.
Die jeweilige Beschaffenheit von Endverbraucher-Geräten definiert schließlich die individuellen Nutzungsgrenzen des Energie-trägers. Der Tank von Erdgasfahrzeugen erlaubt beispielsweise die Wasserstoff-Einspeisung von rund zwei Volumenprozent, während Gasturbinen eine Einspeisung von bis zu fünf Volumenprozent ermöglichen. Die vom Bundesverband der deutschen Heizindustrie (BDH) empfohlene Einspeisemenge von Wasserstoff ins Erdgasnetz liegt derzeit bei maximal zehn Volumenprozent.
Abbildung 01: Moderne Gas-Brennwertgeräte könnten mit Beimischung von Wasserstoff in bestimmtem Umfang schon heute betrieben werden.
Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung ist jedoch nicht möglich, bevor Verteilernetze entsprechend angepasst worden sind. Ferner müssen Endverbraucher-Geräte auf die fortwährend steigende Beimischung von Wasserstoff ausgerichtet werden. Alle Haushalte zusammengenommen, heizt Deutschland derzeit mit etwa 14 Millionen Gasgeräten, von denen jedes zweite älter als 20 Jahre ist. Eine Umrüstung auf wasserstoffverträgliche Geräte wäre somit zwingende Voraussetzung einer höheren Wasserstoffbeimischung.
Anders als bei der Umstellung von L- auf H-Gas in Nordwest-Deutschland, können dabei keine Umrüstsätze verwendet werden, um bestehende Wärmeerzeuger auf die veränderte Zusammensetzung des Energieträgers zu ermöglichen. Denn dafür müssten sicherheitsrelevante Komponenten in den Geräten getauscht werden und eine neue Sicherheitszertifizierung und Abnahme am Gerätestandort erfolgen.
Wichtig ist auch zu untersuchen, ob und wie sich das veränderte Gasgemisch auf weitere Technologien auswirkt, die an das Gasnetz angeschlossen sind, insbesondere auf Verbrennungsmotoren in Blockheizkraftwerken. Hier sind die Motorenhersteller und weniger die Heizungsanbieter wie Buderus in der Führungsrolle.
Abbildung 02: BHKW mit Gasmotoren sind als wichtige Heiz- und Prozesswärmelieferanten in der Industrie bei der Einspeisung von und Umstellung auf Wasserstoff zu berücksichtigen.
Aufbruch ins Neuland
Aus klimapolitischer Sicht ist das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzt. Der Green-Deal, ein Maßnahmenpaket der EU, soll diesen Wandel unterstützen. Ein wesentlicher Bestandteil der „grünen Abmachung“: die Investition in erneuerbare Energietechniken. Profitieren könnte davon auch der Ausbau von Elektrolyseuren, die für die Wasserstoffherstellung notwendig sind. Denn sobald 2022 die verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, muss die fehlende Energie kompensiert werden. Strom erzeugt durch erneuerbare Energieformen, darunter Windkraft, kann derzeit aufgrund der fehlenden Speicherung nicht effizient genug genutzt werden. Mit der Elektrolyse von Wasserstoff könnte die Windenergie nach dem Verfahren „Wind to Gas“ speicherbar und auf diese Weise langfristig nutzbar gemacht werden.
Insbesondere die Einspeisemenge ist der Knackpunkt: Zu unterschiedlich sind die Eigenschaften von Erdgas und Wasserstoff, zu komplex die Anforderungen, die mit der Vermischung der Energieträger einhergehen. So ist die maximale Flammengeschwindigkeit von Wasserstoff etwa acht Mal höher als die von Methan. Hierdurch rücken erhöhte Sicherheitsanforderungen aufgrund des großen Zündbereiches von Wasserstoff in den Fokus. Sicherheit spielt eine ebenso große Rolle, wenn es um den Gerätestandard geht. Da Wasserstoff bislang keine Zielgröße war, sind entsprechende Prüf- bzw. Zulassungskriterien nicht vorhanden.
Wenn die Hälfte aller Wärmeerzeuger in der Bundesrepublik also älter als 20 Jahre ist, ist ein sicherer Betrieb mit einer deutlich höheren Wasserstoffbeimischung als zehn Volumenprozent ins Erdgasnetz nicht mehr garantiert. Eine erhöhte Wasserstoffbeimischung auf bis zu 20 Prozent führt darüber hinaus zu einer Veränderung des Brennverhaltens und auch einem damit einhergehenden leichten Leistungsrückgang.
Dauerhaft bedarf es also einer Umstellung auf Endverbrauchergeräte, die entsprechende Neuentwicklungen vereinen sowie angepasster rechtlichen Rahmenbedingungen. Nachrüstungen und eine anschließende Weiternutzung der vorhandenen Heizgeräte sind nur in Ausnahmefällen möglich.
Abbildung 03: Um hohe Wasserstoffbeimischungen bei Wärmeerzeugung in Gebäudesektor zu ermöglichen, sind Neuentwicklungen und ein angepasster Rechts- und Vorschriften-Rahmen erforderlich
Fazit
Buderus betrachtet aus Verbrauchssicht und unabhängig von Gewinnung, Verteilung und alternativer Verwendung in anderen Sektoren eine Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz in einer Größenordnung von 10 Prozent als technisch unproblematisch für bestehende Wärmeerzeuger. Für höhere Beimischungen - in einer Größenordnung von bis zu 20 Prozent - müssen Bestandsanlagen sicherheits- und materialtechnisch auf Verträglichkeit untersucht werden.
Erklärtes Ziel von Buderus ist es, auch höhere Wasserstoffbeimischungen bei neuen Wärmeerzeugern zu ermöglichen. Da der Anteil von Wasserstoff nur über einen längeren Zeitraum steigen würde, besteht ausreichend Zeit, Wärmeerzeuger zu entwickeln, die auch 100 Prozent Wasserstoff verwenden können.
Buderus arbeitet dabei eng mit den zuständigen Verbänden und Gremien zusammen, um die technischen und regulatorischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die bestehende und zukünftige Gas-Infrastruktur mit Wasserstoff einen substanziellen Teil zur Senkung von Treibhausgasemissionen leisten kann.
(August 2020)
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